Sie ist am 2. März 2025 morgens um halb sechs gestorben.
Angela hat die gesamte Nacht bei ihr am Bett gesessen. Ich hatte mich zu ihr gelegt, als wir sahen, daß ihr Blutdruck sank und kalter Schweiß kam. Sie atmete schwer, die letzten Tage schon, vielleicht auch schon im Krankenhaus.
Am letzten Donnerstagmittag im Februar wurde sie nach hause gebracht. Wir hatten kein gutes Gefühl. Nach der Operation eine gute Woche zuvor hatte sie sich nicht richtig erholt; die Entzündungswerte waren hoch geblieben.
Ende September 2024 hatte sie die erste schwere Operation. Es war Krebs im Bauch. Viel. Aber hier erholte sie sich sehr schnell und gut. Zuhause konnte sie wieder Nahrung über die PEG aufnehmen. Der Darm war repariert worden. Der Oberarzt war so sehr menschlich.
Angela war bei ihr im Krankenhaus geblieben. Tag und Nacht. Sie hatten ein zweites Bett dazugestellt. Zuhause war sie wach. Ihre Augen hielt sie meist geschlossen. Nicht viel Kraft war geblieben. Aber sie half beim Haarewaschen im Bett immer noch mit. Hielt den Kopf nach vorn. Auch beim Kämmen.
Bei der zweiten Operation im Februar dann, war es der Chirurg, der mich anrief. Sie hat keine Chance mehr. Einige Wochen, wenn nicht weniger. Angela und Nana hatten sich im Krankenhaus abgewechselt. Tag und Nacht. 12 Nächte.
Zuhause, am Donnerstagabend, ich war arbeiten gewesen, setzte ich mich abends zu ihr. Sie atmete so schwer. Ihre schönen Augen waren geschloseen. Ich kam ganz nah zu ihr und flüstere ihr zu. Dass wir bei ihr sind und bleiben. Dass sie jetzt nie mehr ins Krankenhaus muss. Keine Angst! Ich bleibe, Angela bleibt. Der Atem so schwer. Meine Tränen vor Mitleid. Sie einfach mutig. Wir treffen uns, flüsterte ich, oben in dem kleinen Tal, links die Wiesen, rechts der Wald. Ja? Verstehst Du? Mein Schatz. Versprich mir, das Du kommst! Ich werde da sein, auf Dich warten, ich verspreche es Dir! Ja? Wir sehen uns wieder, ich weiß es, ganz sicher.
Lange waren wir zusammen an diesem Abend. Und immer wieder beschwor ich Sie zu unserem Treffpunkt zu kommen, es nicht zu vergessen. Sie atmete so schwer.
Ich hatte das Palliativteam verständigt. Sie waren unkompliziert. Hier das Pflaster gegen die Schmerzen, dort die Ampullen, die Nadeln und Spritzen. Alles da nun. Und eine Telefonnummer, das war beruhigend. Dann riefen wir alle an. Kommt! Sie wird jetzt sterben! Wenn ihr sie noch einmal so sehen wollt müsst ihr kommen. Und viele kamen. Sie kamen alle am Samstag, Sie wußte es, sie hat alles gespürt.
Am Freitag waren wir wieder zusammen gewesen. Ich hatte am Nachmittag Eliso vom Bahnhof abgeholt. Unsere beiden Jüngsten waren gekommen. Der Älteste war noch auf Kreta. Am Freitag abend wieder: versprich es mir, wir treffen uns oben in dem kleinen Tal. Ich warte auf Dich, komm bitte. Du weißt, dort, wo wir mit den Kindern oft waren. Ich werde dort immer auf Dich warten. Bitte komm! Ihre Augen geschlossen, der Atem schwer. Ihre Hand haltend, Tränen über Tränen beobachtete ich Ihre Augenbewegungen unter den Liedern: ich denke Sie versteht mich.
Am Samstag ist das Haus voll. Es ist nicht gut, daß es so unruhig ist. Ich wollte es so. Meine Mutter spricht von Schneewittchen, so wie Sie gebettet ist. Dann spät Nachmittags wird es endlich wieder ruhig. Die Dame vom Palliativteam hat sich mehrmals erkundigt. Angela setzt sich an Ihr Bett, hält ihre Hand. Kraftlos. Als Maria kurz das Zimmer verläßt spreche ich wieder mit Ihr: wir sehen uns, ich weiß es. Denk an das kleine Tal mit den Wiesen links und dem Wald rechts. Bitte kommt! Ich warte bis Du kommst. Ihre Hand ist so furchtbar kraftlos. Ich bin ganz nah bei Ihr, sehe in Ihre geschlossenen Augen, sehe durch Ihre Lider hindurch, küsse Sie, streichele Sie, rieche Sie. Sie riecht so schön. Ich darf es niemals vergessen – präge mir Ihr Gesicht ein, wieder und wieder, ich vergesse doch immer alles. Das darf hier nicht passieren. Präge mir Ihr Gesicht ein, streichele Sie, küsse Sie. Angela setzt sich wieder zu ihr. Ich lege mich auf das nebenstehende Bett. Um halb eins merkt Maria den kalten Schweiß. Wir messen Blutdruck. Er ist sehr schwach. Ich lege mich neben Sie. Weiß nicht wie lange. Sie atmet noch schwerer. Angela sitzt weiter neben Ihrem Bett, hält Ihre Hand. Ihr Bett ist so schmal, ich kann nicht mehr liegen, muss aufstehen und ins andere Bett. Angela bleibt bei Ihr. Wie sie das macht ohne vom Stuhl zu sinken? Dann plötzlich ruft sie Sie! Ich lege mich schnell zu ihr. Sie hebt kurz ihren Kopf und schaut Angela an. Dann dauert es noch 10 Herzschläge.
Wir können es nicht glauben, rufen nach Ihr, begreifen langsam.